Rudolf ist geschätzt Anfang 60, wir treffen ihn vor einer Einrichtung der Obdachlosenhilfe in München an. Er ist momentan wohnungslos, war aber wie er sagt, in seinem Leben auch schon „Hardcore Obdachlos“.
Wir, Student*innen der Hochschule München interviewen ihn im Rahmen eines Forschungsprojektes, während des Interviews halten wir Abstand und tragen eine FPP2 Maske.
Rudolf hat kritische Lebenslagen hinter sich, die Trennung von seiner Frau, Burnout, seine gesundheitliche Lage, die ihn bis jetzt, April 2021, beschäftigt. Seine Hauptaufgabe, so sagt er, ist in Balance zu bleiben. Er leidet an Energieeinbrüchen, in denen er wochenlang seinen Alltag nicht bestreiten kann. Auf die Frage, ob er Angst hat, sich an dem Virus zu infizieren, sagt er:
„Überhaupt nicht. Ne (…) also ich war ja schon quasi tot, am Sterben, also vorm Sterben habe ich keine Angst.“ Das Leben als Obdachloser Mensch ist krisenhaft. „Gibt’s natürlich alles, aber wenn man obdachlos ist und nur kämpft um über den Tag zu kommen, nicht zu erfrieren, nicht zu verhungern, ja und irgendwie sich mental und emotional sich in der Balance zu halten.“
Dann erscheint eine Covid-19 Pandemie als nicht krisenhaft, sondern der Alltag fordert Kraft und die gesamte Aufmerksamkeit.
Bezogen auf die Covid-19 Pandemie hat sich für Rudolf nicht viel verändert, er hält sich an die Maßnahmen gegen das Virus, steht aber der Impfung gegen Corona noch kritisch gegenüber. Manchmal hat seine Obdachlosigkeit für ihn in der Pandemie positive Seiten, wenn er erzählt:
„Es war mir Wurst weil als Obdachloser hier, war ich die ganze Nacht draußen auch während des Lockdowns, sind zwei Polizeiautos vorbei gefahren wenn die jemanden hier vor der Hütte (Die Obdachlosenhilfe-Einrichtung) stehen sehen, wissen die was das ist.“
Generell waren in der Lockdown-Phase weniger Menschen unterwegs, was er als angenehm empfand. Auf die Frage, ob er Herausforderung für ihn während der Pandemie wahrgenommen hat, sagt er:
„Ähm ne im Gegenteil, ja (…) ich hab z.B. meinen Geldbeutel verloren gehabt und bin dann so um halb 10 in der (Straße) bei der Polizeiwach aufgeschlagen, ja, und läute da und sagen ‚ja was wollen Sie eigentlich?‘ ‚Ich will mein Geldbeutel als verloren melden‘, sagen die: ‚ja ä hallo‘, da war Lockdown neun Uhr glaub ich, ähm ‚was machen Sie draußen? Es ist Lockdown‘, da sag ich, ‚ich bin obdachlos (lacht) ich darf das (lacht)‘“.
Rudolf heißt nicht wirklich Rudolf, aber in München sind wir. Diese Stadt wird explizit genannt, da Rudolf in anderen Städten obdachlos war. Dort waren die Reaktionen auf ihn anders.
So berichtet er: „Also in (Europäisches Land) das war irre, da war ich dann in dieser kleinen Hauptstraße und wurde dort als, ich war offensichtlich obdachlos, wurde aber vollkommen angenommen also ganz ganz toll“.
In München sich offensichtlich obdachlos zu zeigen, scheint aus seinen Erzählungen nicht einfach zu sein. Hier zeigt sich der Verdrängungskontext in Bezug auf obdachlose Menschen in München ganz klar und die Hypothese entsteht:
Obdachlose Menschen und deren Leben kann/ist dauerhaft von Krisen geprägt und sie sind weit ab von der Gesellschaft, dass sie nicht einmal Teil davon sind, in einem Ausnahmezustand wie einer Pandemie.